Coronavirus-Mutanten – diese gibt es in Deutschland

Gruppe junger Menschen mit Maske

Nach der Entdeckung und Identifizierung des Coronavirus SARS-CoV-2 Ende des Jahres 2019, dauerte es nur wenige Monate, bis das Virus zum einen weltweit verbreitet war und bis zum anderen erste Mutationen in der Erbinformation des Virus festgestellt wurden. Doch nicht jede dieser Mutationen war gleichermaßen beunruhigend. Dieser Artikel führt die bisher bedeutenden Virusmutanten auf und erklärt, was sie voneinander und dem ursprünglichen Virus unterscheidet.

 

Variants of concern (VOC)

Weltweit wird regelmäßig das Erbgut der vorkommenden Viren sequenziert und mit den bisherigen Sequenzen und Merkmalen des Virus verglichen. So benennen Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO Viren, die Mutationen tragen und zusätzliche Auffälligkeiten aufweisen, entweder als so genannte „variant of interest“ (VOI), auf Deutsch „unter Beobachtung stehende Virusvarianten“ oder „variants of concern“ (VOC), auf Deutsch „besorgniserregende Virusvarianten“. Besorgniserregende Virusvarianten oder VOCs sind solche Varianten, die sich in wichtigen Eigenschaften des Erregers relevant von den herkömmlichen Virusvarianten unterscheiden. Wichtige Eigenschaften sind beispielsweise

  • Übertragbarkeit
  • Virulenz (Fähigkeit des Virus, eine Erkrankung hervorzurufen)
  • Erkennbarkeit durch das Immunsystem von genesenen oder geimpften Personen

Wöchentlich veröffentlicht das Robert Koch-Institut einen Bericht, welche VOIs und VOCs in Deutschland beobachtet werden, wie stark sie verbreitet sind.

Zurzeit werden in Deutschland und weltweit folgende VOCs beobachtet:

  • Alpha (B.1.1.7), umgangssprachlich „britische Mutante“
  • Beta (B.1.351), umgangssprachlich „südafrikanische Mutante“
  • Gamma (P.1), umgangssprachlich „brasilianische Mutante“
  • Delta (B.1.617.2), umgangssprachlich „indische Mutante“

Die Mutantenbezeichnungen tragen umgangssprachlich Namen von Ländern. Die britische, südafrikanische, brasilianische und indische Variante. Diese Namen beschreiben nur, in welchem Land diese Mutation zuerst beobachtet wurde.

Warum mutiert das Coronavirus überhaupt?

Dass ein Virus mutiert, ist nicht das Besondere, sondern das Normale. Das liegt unter anderem daran, dass die Vervielfältigungsmaschinerie, die das Virus auf seiner Erbinformation (RNA) mit in die menschlichen Zellen bringt, sehr schlampig arbeitet. Während bei der Vervielfältigung von DNA in unseren Körperzellen im Durchschnitt alle 109 Basen (also ca. 1 Milliarde) ein Fehler passiert (der dann meist auch korrigiert wird), passieren bei der Kopie der Erbinformation von RNA-Viren etwa alle 1.000 bis 10.000 Stellen ein Fehler, der nicht korrigiert wird. Die Länge der Erbinformation von Coronaviren beträgt ca. 30.000 Basen. Im Durchschnitt enthält also jedes neu gebaute Viruspartikel zwischen 3 und 30 Basen, die sich von der Ausgangssequenz unterscheiden. Bei der Vielzahl an neuen Viruspartikeln, die durch jedes Virus entstehen, das eine weitere Zelle befällt, gibt es in kürzester Zeit eine große Anzahl an Mutationen.

Sind Mutationen für das Virus nützlich?

Doch nicht alle Mutationen sind für das Virus nützlich. Manche Mutationen werden zur Folge haben, dass die gebildeten Proteine ein wenig in ihrer Struktur verändert sind und ihre Funktion nicht mehr optimal ausführen können. Andere werden bewirken, dass bei der Vervielfältigung der viralen Erbinformation an einer Stelle zufällig eine Stopp-Information entstanden ist und keine vollständige mRNA gebildet wird. So sind viele Versionen möglich, die dem Virus eher schaden als nützen. Umgekehrt können durch Zufall auch Veränderungen entstehen, die beispielsweise bewirken, dass das Virus besonders effizient an die Wirtszellen binden kann und dadurch leichter übertragbar wird, oder einen anderen – so genannten – Fitnessvorteil bekommt. Wenn eine Virusvariante also Eigenschaften hat, die sie ansteckender macht oder in der Umwelt stabiler, so wird sie sich nach und nach durchsetzen, weil sich mit der Variante mehr Menschen anstecken als mit dem Wildtyp.

B.1.1.7 – Alpha

Etwa Mitte Dezember 2020 wurde in Großbritannien von Mutationen im Virusgenom berichtet, die in immer häufiger Patienten nachgewiesen wurde. Als erste VOC wurde diese Virusvariante dann „alpha“ (erster Buchstabe im griechischen Alphabet) genannt. Diese Variante hat sich in vielen Ländern, so auch in Deutschland, stark verbreitet und wurde zwischenzeitlich in 90% aller Proben nachgewiesen.

Diese Virusvariante zeichnet sich durch 23 Mutationen aus, die sie vom Wildtyp unterscheiden. Acht dieser Mutationen befinden sich im Gen, das für das Spike-Protein kodiert. Das Spike-Protein ist das Molekül auf der Oberfläche des SARS-CoV-2-Virus, mit dem es an die Rezeptoren auf menschlichen Zellen bindet.

Die B.1.1.7-Variante ist leichter übertragbar als das SARS-CoV-2 Wildtypvirus. Daher stecken sich damit durchschnittlich mehr Menschen an einer infizierten Person an.

Die verfügbaren Impfstoffe schützen auch vor einer Erkrankung mit der B.1.1.7-Virusvariante.

B.1.351 – Beta

Die B.1.351-Virusvariante wurde Ende 2020 in Südafrika gefunden. Dort wurde sie schnell zur vorherrschenden Variante, während sie in Deutschland eine untergeordnete Rolle spielt. Zwischen dem 10.05 und dem 13.06.2021 waren nur 1% der Infektionen in Deutschland der Beta-Variante zuzuordnen. Wie auch bei der B.1.1.7-Variante führt eine Änderung im Spike-Gen dazu, dass die Übertragbarkeit des Virus erhöht ist.

Gegenüber der B.1.351-Variante scheinen die aktuellen Impfstoffe nicht so gut wirksam zu sein. Eine abschließende Bewertung steht aber noch aus. Zudem wird bereits an mRNA-Impfstoffen gearbeitet, die speziell auf die Gensequenz der B.1.351-Variante angepasst sind.

P.1 – Gamma

In Brasilien wurde eine dritte Virusvariante identifiziert, die sich dort stark verbreitet hat. Sie ähnelt der B.1.351 (Beta)-Variante. In Deutschland spielt sie bislang eine geringe Rolle. Erst in Kalenderwoche 22 (ab dem 31.05.2021) ist sie mit 1% der Infektionen in Deutschland vertreten. Eine erhöhte Übertragbarkeit wird vermutet. Ebenso deuten Daten aus experimentellen Untersuchungen darauf hin, dass die von Geimpften oder Genesenen gebildeten neutralisierenden Antikörper gegen die gamma-Variante nicht so stark wirken.

B.1.617.2 – Delta

Die Virusvariante, die inzwischen (Juni 2021) am meisten Aufmerksamkeit bekommt, ist die Delta-Variante, die von der Weltgesundheitsorganisation im Mai 2021 zur VOC erklärt wurde. Aufgefallen ist diese Virusvariante in Indien, wo sie sich extrem stark verbreitet hat. In Deutschland ist die Delta-Variante inzwischen die vorherrschende Virusvariante. Sie hat die Alpha-Variante (B.1.1.7) überholt, die sich in den ersten Monaten des Jahres 2021 stark verbreitet hatte. Der Bericht des Robert Koch-Instituts vom 23.06.2021 zeigte, dass die Nachweishäufigkeit von 3% in Kalenderwoche 19 auf bereits 15% in KW 23 angewachsen war. Seit Ende Juni ist die Delta-Variante der dominierende Virustyp.

Die Delta-Variante scheint noch leichter übertragbar und damit ansteckender als die britische Alpha-Variante. Ebenso scheinen die Antikörper von Geimpften und Genesenen gegen die Delta-Variante nicht so gut wirksam zu sein wie gegen das Wildtypvirus oder die Alpha-Variante. Ob Erkrankungen mit dem Delta-Virustyp auch schwerer verlaufen, ist noch unklar.

Nach 2 Impfungen besteht nach aktuellem Stand ein hoher Schutz vor schweren Verläufen bei einer Infektion mit der B.1.617.2-Variante.

 

Das SARS-CoV-2-Virus mutiert derweil munter weiter. Welche weiteren Varianten zukünftig auftreten und welche Eigenschaften sie haben werden, kann jedoch niemand vorhersagen. In Deutschland und vielen anderen Ländern ist das Ziel, möglichst viele Menschen möglichst bald vollständig gegen COVID-19 geimpft zu haben, um die Anzahl derer zu verringern, die das Virus weiterverbreiten oder schwer erkranken können.

 

NP-DE-VX-WCNT-210063, Aug21