Herdenimmunität – was bedeutet das?
Das Wichtigste in Kürze:
- Herdenimmunität bedeutet, dass in einer Population auch nichtimmune Personen vor einer Ansteckung mit einem Krankheitserreger geschützt sein können.
- Voraussetzung dafür ist, dass der Anteil an immunen Personen hoch genug ist.
- Immunität kann durch eine natürliche Infektion mit dem Erreger oder durch Impfung erreicht werden
- Je ansteckender ein Erreger ist, desto mehr Menschen müssen immun sein, damit Herdenimmunität greift.
Der Begriff Herdenimmunität oder Herdenschutz wird oft im Zusammenhang mit Impfungen genannt. Er bedeutet, dass unter bestimmten Umständen Menschen vor einer Infektion mit einem Krankheitserreger geschützt sein können, auch wenn sie selbst nicht gegen diesen Erreger geimpft sind oder in der Vergangenheit erkrankt waren. Es handelt sich also um eine Form des Gemeinschaftsschutzes, den man mit Impfungen erreichen kann.
Wie funktioniert Herdenimmunität?
Ein Erreger einer Infektionskrankheit, z. B. das Coronavirus, Masernvirus oder Grippevirus, strebt nach Verbreitung. Abhängig davon, wie ansteckend ein Erreger ist, infizieren sich bei einem Kontakt unterschiedlich viele Menschen. Das Masernvirus beispielsweise ist sehr ansteckend. Eine infizierte Person steckt durchschnittlich 12 bis 18 weitere Personen an. Beim Grippevirus sind es im Vergleich durchschnittlich 0,9 bis 2,1 Personen.
Durch die Erkrankung werden die angesteckten Personen aber auch immun. Das bedeutet, man ist vor einer neuerlichen Ansteckung geschützt. Je mehr Menschen gegen eine Krankheit immun geworden sind, desto schlechter kann sich der Erreger weiterverbreiten. Denn eine ansteckende Person trifft immer häufiger auf immune Personen, die nicht mehr infiziert werden und den Erreger nicht mehr weitergeben können.
Man kann sich die geimpften und genesenen Personen wie ein Schutzschild vorstellen. Wird eine ansteckende Person von vielen immunen Personen umgeben, unterbleibt die Weiterverbreitung.
Doch damit dieser Mechanismus greift, muss ein kritischer Wert an immunen Personen überschritten werden. Das ist die Herdenimmunität. Bleibt der Prozentsatz immuner Personen darunter, verlangsamt sich das Infektionsgeschehen, aber es können weiterhin Ausbrüche stattfinden.
Die Quote der immunen Personen, kann nicht nur durch die Krankheit, sondern auch durch eine Impfung gegen den Krankheitserreger erhöht werden. Das ist sinnvoll, weil relativ schnell viele Menschen immunisiert werden können, ohne dass sie ernsthaft erkranken. Die Impfung imitiert die natürliche Infektion, so dass im besten Fall Geimpfte anschließend nicht mehr erkranken und andere Personen nicht mehr anstecken können.
Besonders wichtig ist dieser Schutzmechanismus für Personen, die nicht geimpft werden können und für die eine Erkrankung ein hohes Gesundheitsrisiko bedeuten würde. Das können Personen mit bestimmten Krankheiten sein, die nicht geimpft werden dürfen. Es können aber auch Säuglinge, Kleinkinder oder Kinder sein, Schwangere und Stillende oder Menschen mit Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffs.
Wie wird der Wert für die Herdenimmunität bestimmt?
Damit der Schutz für Ungeimpfte greift, muss der Anteil immuner Personen groß sein. Wie hoch, das unterscheidet sich von Erreger zu Erreger. Zunächst benötigt man die Anzahl an Personen, die von einer infizierten Person durchschnittlich angesteckt werden, wenn keine Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen eine Infektion verhindern. Mit diesem Wert kann man über eine einfache Formel berechnen, wie hoch der Anteil an immunen Menschen in Prozent sein muss, damit die Weiterverbreitung des Krankheitserregers gestoppt wird.
Bei den sehr ansteckenden Masern liegt die Herdenimmunität bei etwa 95 Prozent, bei Grippe bei circa 50 Prozent.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Anteil immuner Personen zum Erreichen der Herdenimmunität umso höher sein muss, je infektiöser der Erreger ist.
Nutzen für den Einzelnen und die Gesellschaft
Das Erreichen der Herdenimmunität wäre für besonders für Erreger wünschenswert,
- an denen Menschen schwer erkranken,
- bei denen die Rate an Komplikationen hoch ist,
- die für ungeschützte Personen ein hohes Gesundheitsrisiko darstellen.
Diese Punkte kämen dem Wohl einzelner Personen zugute. Es gibt aber noch weitere Gründe:
- Wenn insgesamt weniger Menschen erkranken, werden auch weniger Erkrankte einen schweren Verlauf haben.
- Intensive und teure medizinische Versorgung wird seltener benötigt und Kosten im Gesundheitssystem werden gespart.
- Immune Personen haben weniger Krankheitstage im Beruf – die Produktivität bleibt erhalten.
Herdenimmunität bringt also nicht nur einzelnen Personen Vorteile, sondern ist für die ganze Gesellschaft sinnvoll. Daher sind Impfungen mehr als nur individueller Schutz.
Allem voran müssen sich ausreichend viele Menschen impfen lassen, um über viele Jahre hinweg die notwendige Anzahl an immunen Personen in einer Bevölkerung zu erreichen. Das ist nicht bei allen Impfungen einfach. Doch nicht nur die Zahl der Impfwilligen spielt eine Rolle.
- Verteilung der immunen Personen: Es ist denkbar, dass die immunen Menschen nicht gleichmäßig über die Bevölkerung verteilt sind. Wenn sich beispielsweise in Frankfurt gegen einen Erreger sehr viele Menschen impfen lassen würden, in Köln aber nur sehr wenige, würde Köln weiterhin bzw. länger größere Ausbrüche verzeichnen.
- Wirksamkeit einer Impfung: Impfungen schützen sehr gut und sicher vor Ansteckungen, aber nicht immer wirken sie zu 100 Prozent. So können manche Menschen sich trotz Impfschutz mit einem Erreger anstecken und ihn manchmal auch weiterverbreiten
- Dauer der Immunität: Bei vielen Impfungen und auch bei einigen natürlichen Infektionen lässt die schützende Wirkung nach einer Weile nach. Daher muss der Impfschutz regelmäßig aufgefrischt werden.
- Präventionsparadox: Wenn viele Menschen geimpft sind und es weniger Krankheitsfälle gibt, braucht man vermeintlich die Impfung nicht mehr. Die Impfrate sinkt und Ausbrüche werden wieder häufiger.
Um möglichst viele Menschen vor einer Erkrankung zu schützen und dennoch schnell einen hohen Schutz in einer Bevölkerung aufzubauen, sind Impfungen das wichtigste Hilfsmittel.